Digitalisierung des Nachhaltigkeitsmanagements – für viele Unternehmen ist dies das Thema der Stunde. Insbesondere mit der Einführung der europäischen Nachhaltigkeitsstandards European Sustainability Reporting Standards (ESRS) im Zuge der EU-Richtlinie CSRD sowie der EU-Taxonomie-Verordnung steigen die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Viele mittelständische Unternehmen sind nun gezwungen, ihr Nachhaltigkeitsmanagement auszuweiten und stoßen mit den bisherigen Boardmitteln wie Excel an die Grenzen der Praktikabilität, wenn es an die Internationalisierung des Nachhaltigkeitsmanagements geht. Es drohen ausufernde Datenerhebungs- und -konsolidierungsprozesse. Abhilfe versprechen ESG-Software-Lösungen. In den letzten Jahren ist dieser Markt stark gewachsen und regelmäßig kommen neue Anbieter hinzu; die Spannbreite reicht also von etablierten Unternehmen bis zu Start-ups.
Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner plenum haben wir uns damit befasst, wie der Auswahlprozess solch einer ESG-Software gestaltet werden kann. Nachfolgenden stellen wir unseren Recherche-Ansatz sowie drei vielversprechende Anbieter aus Deutschland näher vor.
Definition der Anforderungen an die Software (Lastenheft)
Der vielleicht wichtigste Schritt bei der Auswahl einer Software ist es, die spezifischen Anforderungen mit den betroffenen internen Stakeholdern zu klären, vor allem aber, sich in der Nachhaltigkeitsabteilung (bzw. der projektführenden Abteilung) über den Kompetenz-Schwerpunkt klar zu werden.
Grundsätzlich sehen wir die nachfolgend beschriebenen Funktionalitäten als wichtig für CSR/ESG-Softwares an. Diese Anforderungen können aber im Einzelfall abweichen, je nachdem wie die „Software-Landschaft“ und der Schwerpunkt in eurem Unternehmen aussehen.
Unsere Mindestanforderungen an die Funktionalität:
- Erhebung der nötigen Daten für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts gemäß ESRS und EU-Taxonomie
- Dashboard zur Darstellung der wichtigsten Kennzahlen und Zielgrößen des Unternehmens
- Darstellung und Nachverfolgung von Maßnahmen für Projekte des Nachhaltigkeitsmanagements
Optional:
- Erarbeitung einer Wesentlichkeitsanalyse gemäß ESRS
- Unterstützung bei der Erstellung der Klimabilanz („Corporate Carbon Footprint“) des Unternehmens (Scope 1, 2 und ggfs. 3)
- Durchführung und Darstellung von Risikoanalysen im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements (z.B. LkSG, ESRS/CSRD)
- Management relevanter Gesetzgebungen (Legal Compliance / EHS / UMS)
- Lieferkettenmanagement (Risikoanalyse/ Lieferantenbewertung/ Nachweisabfrage/ Lieferantenaudits/ Maßnahmenmanagement)
Erstellung von Long- und Shortlist
Wenn die individuellen Anforderungen bzw. der Schwerpunkt der ESG-Software geklärt sind, kann im nächsten Schritt eine erste Liste mit in Frage kommenden Anbietern erstellt werden. Für unsere Recherche haben wir solch eine „Longlist“ anhand von öffentlich zugänglichen Informationen erstellt. Anschließend haben wir bewertet, ob und wie die einzelnen Software-Lösungen die im ersten Schritt identifizierten Anforderungen erfüllen. In die „Shortlist“ schafften es dann die Lösungen, die die ausgewählten Anforderungen und darüber hinaus noch folgende Kriterien erfüllten:
- Sitz des Anbieters: Aus Gründen des Datenschutzes beschränken wir uns auf Anbieter mit Sitz bzw. Server-Hosting innerhalb der EU
- Unternehmensgröße: mindestens 20 Mitarbeiterinnen (wir wollten keine start-ups aus-schließen, weil wir im Vorfeld ansprechende Lösungen aus diesem Segment gesehen hatten).
- Referenzen: Vorhandensein von mind. einem großen Referenzkunden aus der Industrie oder dem Bankwesen
Basierend auf diesen Kriterien (ESRS-basierte Datenerhebung, Dashboard, Maßnahmenmanagement, EU-Sitz, mind. 20 Mitarbeitende, Referenzen) haben wir unsere „Shortlist“ erstellt. Wir möchten an der Stelle betonen, dass es sich hier um eine subjektive Auswahl handelt und diese Kriterien auch anders lauten können (wenn beispielsweise eure Organisation sehr risikoavers ist, dafür ein höheres Budget bereitstellt, dann kann z.B. das Auswahlkriterium Unternehmensgröße auf 100 Mitarbeitende erhöht werden).
Befragung der Anbieter der „Shortlist“
Für die finale Auswahl der Software halten wir es für sinnvoll, mit den Anbietern aus der engeren Auswahl („Shortlist“) in direkten Austausch zu treten und so ein besseres Bild der einzelnen Software-Lösungen zu erhalten.
Für unsere Fallstudie haben wir daher die Anbieter unserer „Shortlist“ zu einigen Punkten, die wir über öffentlich zugängliche Daten nicht in Erfahrung bringen konnten, genauer befragt. Von drei Anbietern haben wir dazu Antworten erhalten, die wir Euch im Folgenden genauer vorstellen möchten: Envoria, Leadity sowie LucaNet.
Hinweis: Die im Folgenden dargestellten Informationen beruhen auf einer Selbstauskunft der Anbieter (Stand Okt./Nov. 2023).
1. Welche Unternehmensgröße und Branchen werden vom Softwareanbieter primär angesprochen?
Envoria | Leadity | LucaNet |
Unternehmen >250 MA aus allen Branchen; aufgrund aktueller Lage momentan verstärkt Nachfrage von größeren Unternehmen >1.000 MA; | Kunden reichen vom 1-Mann-Handwerksunternehmen bis zum Automotive Global Player; | Große Unternehmen, die ab 2024 bzw. 2025 berichtspflichtig werden; |
2. Was ist aus Sicht des Anbieters das wichtigste Alleinstellungsmerkmal der ESG-Software?
Envoria | Leadity | LucaNet |
Kombination aus mehreren Parametern: Hohe Usability, integrierte Fachlichkeit, breite Abdeckung von Themen durch All-in-One Ansatz (GRI, CSRD/ ESRS, EU-Taxonomie, Emissionsberechnung, Lieferketten u.a.) sowie die Integrierbarkeit in die Systemlandschaft von Unternehmen mit meist vielen vorhandenen Schnittstellen. | All-in-One Software, die Unternehmen von der Nachhaltigkeitsstrategie bis zum Nachhaltigkeitsbericht unterstützt: Herleitung der wesentlichen Themen, Steuerung von Ziel- und Maßnahmenplänen, Berechnung von Klimabilanz und ESG-Kennzahlen, Beleuchtung der Lieferkette auf Risiken, automatisierte Erstellung revisionssicherer Berichte z.B. nach ESRS (CSRD-) Standard. | Abdeckung des End-to-End Prozesses der Nachhaltigkeitsberichterstattung: |
3. Verfügt die Software über ein Dashboard mit der Möglichkeit verschiedene Zeitperioden zu vergleichen?
Envoria | Leadity | LucaNet |
Ja | Ja | Ja |
4. Können Ziele dargestellt sowie “Soll”- und “Ist”-Daten gegenübergestellt werden?
Envoria | Leadity | LucaNet |
Erfassung von Zielen und einzelnen Maßnahmen möglich.Emissionsberechnung: Festlegung von detaillierte Ziel-Werten je Organisationseinheit möglich; Anzeige von Abweichungen.Anzeige des Vergleichs von Soll- und Ziel-Werten möglich. | Modul „Ziel- und Maßnahmenplanung“ als internes Steuerungsinstrument im Unternehmen für Nachhaltigkeitsmanagement mit Steuerung von Zielen, Kennzahlen, Maßnahmen, Fristen, Verantwortlichkeiten, Nachweisen.
| Darstellung von Zielen und Vergleich mit Ist-Werten ist über eine sogenannte Plandatenebene möglich. |
5. Möglichkeit zur Konsolidierung der Zahlen: Kann die Darstellung zwischen Mutterkonzern und Tochtergesellschaft gewechselt werden, ist die Software mandantenfähig?
Envoria | Leadity | LucaNet |
Zahlen sind konsolidierungsfähig, inkl. Umrechnung von Werten (z.B. bei verschiedenen Einheiten/ Währungen).Mit max. zwei Klicks kann zwischen Gesellschaften, mit einem Klick zwischen konsolidierter Ansicht und Einzelansicht gewechselt werden. | Ja. Konsolidierung auch von mehr als zwei Ebenen möglich (z.B. bei Organisation von Standorten in Business Units und Zugehörigkeit zu Mutterkonzern).
| Ja. Aufbau von verschiedenen organisatorischen Strukturen und Konsolidierungskreisen ist möglich.
|
6. Ist eine Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS in der Software integriert?
Envoria | Leadity | LucaNet |
Vollständige Dokumentation und bei Bedarf auch Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS ist möglich. | Systematische und revisionssichere Herleitung der doppelten Wesentlichkeit ist möglich. | Aktuell noch keine Integration vorhanden.Darstellung der Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse ist möglich. |
7. Können externe Daten eingelesen werden (z.B. API)?
Envoria | Leadity | LucaNet |
Sehr ausgiebige Standardschnittstelle (Web/Rest) für alle Anwendungsfälle, z.B. Übertragung von Kennzahlen, Emissionswerten, Finanzkennzahlen für EU-Taxonomie, Synchronisierung von Usern und Organisationen. | Excel-CSV-Schnittstelle sowie automatische JSON/REST API, um Daten automatisiert einzulesen oder zu exportieren. | Konfiguration von diversen Schnittstellen zu Vorsystemen möglich, um externe Daten auch automatisiert einzulesen. |
8. Wie hoch ist der durchschnittliche Zeit- und Kostenaufwand für die Implementierung der Software?
Envoria | Leadity | LucaNet |
Abhängig von Kunden-Anforderungen. Sofern bereits ESG-Fachwissen im Unternehmen vorhanden, ist eine Implementierung in 4-8 Wochen möglich.Automatisierungen dauern i.d.R. länger.Kostenstruktur: so vielfältig wie Berichtsanforderungen. | Interner Personalaufwand variiert je nach Ziel des Softwareeinsatzes. Manche Unternehmen starten mit Wesentlichkeitsanalyse, andere mit Klimabilanzierung oder mit Risikoanalyse LkSG, etc. Startet ein Unternehmen bei 0, dauert es bis zum ersten Nachhaltigkeitsbericht typischerweise 6-9 Monate in Teilzeit.Onboarding-Schulungen sind in der Lizenz inklusive. Software enthält viele Schulungsvideos, Tutorials und Unterstützungselemente für die User.Implementierungskosten werden nur bei großen, komplexen Firmenstrukturen und Sonderwünschen erhoben. | Zeitaufwand hängt vom Projektaufwand ab und kann nicht pauschal genannt werden. |
9. Welches sind die ausschlaggebenden Kriterien für den Preis der Software pro Jahr?
| Envoria | Leadity | LucaNet |
Anzahl der Mitarbeiter des Unternehmens | Nein | Nein | Nein |
Anzahl der Standorte des Unternehmens | Nein | Ja | Ja (Buchungskreise) |
Umsatzgröße des Unternehmens | Ja | Ja | Nein |
Benötigte Lizenzen / Useraccounts | Nein | Ja | Ja |
Sonstiges | Kosten hängen von Anzahl der Module | Pricing ist modular aufgebaut. Kunden wählen den benötigten Funktionsumfang aus: CSR-Management, Berichterstattung, Klimabilanz, LkSG-Lieferantentool. Ein Up- / Downgrade ist jederzeit möglich. | Einsatz von Schnittstellen zu Vorsystemen |
10. Wie hoch sind konkret die Kosten der Software pro Jahr für folgende zwei Beispiel-Unternehmen?
| Envoria | Leadity | LucaNet |
250 Mitarbeiter,2 Standorte, 10 User mit Datenzugriff |
Üblicherweise liegt eine Jahreslizenz zwischen einem niedrigen fünfstelligen Bereich für kleinere Unternehmen und einem hohen fünfstelligen Bereich für große Konzerne.Die Preise variieren je nach Anzahl der Module, Umsatzgröße des Unternehmens und individuellen Anforderungen. | ca. 4.800€ bis max. 10.000€ je nach gewünschtem Funktionsumfang. Im vollen Umfang sind Klimabilanzierung Scope 1-3, LkSG-Risikoanalysetool und Berichterstattung in allen gängigen Varianten ESRS/CSRD, GRI, DNK inklusive. | 1.700€ |
5000 Mitarbeiter,750 Mio € Umsatz,40 Standorte, 70 User mit Datenzugriff | 23.700€ - 33.300 € je nach gewünschtem Funktionsumfang. Im vollen Umfang sind Klimabilanzierung Scope 1-3, LkSG-Risikoanalysetool und Berichterstattung in allen gängigen Varianten ESRS/CSRD, GRI, DNK inklusive. | 6.000€ | |
Enthaltender Service/Support im oben genannten jährlichen Preis | In allen Paketen sind Updates der Software, Updates der fachlichen Inhalte (z.B. ESRS), Betrieb und Wartung in der Cloud, Support per E-Mail und Telefon kostenlos enthalten. | Vollumfänglicher Support zu den Geschäftszeiten inklusive. | Monatliche SaaS-Lizenzgebühr, Software Maintenance und Support (5 Tage, 8 Stunden, online/call-back) |
Fazit:
Einige grundsätzliche Aspekte und Kriterien für die Auswahl einer ESG-Software haben wir in diesem Artikel vorgeschlagen. Zudem haben wir euch drei deutschsprachige, aus unserer Sicht vielversprechende Anbieter näher vorgestellt (darüber hinaus gibt es natürlich viele weitere Anbieter). Welche ESG-Software letztendlich am besten zu deinem Unternehmen passt, ist von individuellen Faktoren abhängig. Wir hoffen dir mit unserem Artikel eine mögliche Herangehensweise für einen strukturierten Auswahlprozess vorgestellt zu haben.